Ist „300“ wirklich ein cineastisches Meisterwerk“? Oder nicht vielleicht doch eher die „zeitgenössische Umsetzung der Leni-Riefenstahl-Ästhetik“? Oder doch eher „harmloses Popcorn-Kino“?

Meine Antworten auf diese Kritiker-Urteile lauten: Ja. Ja. Nein.

Dieser Film hätte bei Erscheinen vor einigen Jahren zu einer größeren WG-Zwistigkeit zwischen mir und meinem damaligen Mitbewohner geführt. Er hatte darauf hingewiesen, dass „300“ „gut gemacht“ sei. Was natürlich stimmt. Ich hätte darauf erwidert, dass der Film „faschistoider Scheißdreck“ sei. Was natürlich auch stimmt. Und dann hätte ich noch gehässig hinzugefügt, dass „Jud Süß“ schließlich auch gut gemacht sei. Was leider auch nur allzu wahr ist.

„Jud Süß“ habe ich mir mal im Rahmen einer Filmreihe über nationalsozialistische Ästhetik an der Braunschweiger Kunsthochschule anschauen dürfen. Seine manipulierende Wirkung habe ich als verstörend empfunden. „300“ ist jedoch etwas ganz anderes, denn dieser Film macht verdammt viel Spaß! Sein Regisseur Zack Snyder kommt – wie sollte es anders – aus der Werbebranche und feierte mit dem Remake des Splatter-Klassikers „Dawn of the Dead“ sein Spielfilm-Debüt. Schon damit hat er viel Unmut auf sich gezogen. Nicht nur wegen der expliziten Gewaltdarstellungen, sondern vor allem, weil er diesen Film mit einer Dokumentar-Sequenz beginnen lässt, in der betende Moslems gezeigt werden, die durch den Kontext von den Zuschauenden als Bedrohung wahrgenommen werden müssen, denn die Aussage ist deutlich: Religiöse Terroristen bedrohen unsere kleine heile Welt. Und so unterscheiden sich auch Zack Snyders Zombies grundlegend von Romeros Originalen. Sie sind schnell und sie schlagen überraschend zu. Die so friedliche wie in ihrer Ausdehnung monströse Einfamilienhaussiedlung wird innerhalb weniger Filmminuten der Ort unvorstellbarer Schrecken. Und man empfindet eine gewisse Schadenfreude dabei, wie diese Mittelschichtssidylle zerstört wird.

Auch bei „300“ gibt es einiges zu lachen – wenn man abbe Arme, abbe Beine und abbe Köppe lustig findet. Um die Perser an einer bestimmten Stelle zum Angriff zu zwingen (dort, wo „ihre Übermacht keinen Vorteil mehr bietet“), bauen die Spartaner eine Mauer aus den toten Leibern feindlicher Soldaten. Kranker Humor, aber Humor. Der Film hat sowieso alles, was eine gute Geschichte braucht: einen plausiblen Plot, überzeugende Protagonisten, einen gleichwertigen Antagonisten, interessante Nebenfiguren (besonders den gollumartigen Aussätzigen) und natürlich Liebe, Triebe und Verrat.

Aber kommen wir zum eigentlichen Manko des Films, seinem ideologischen Gehalt. Ruhm und Ehre, Todessehnsucht, Vernichtung unwerten Lebens, Ablehnung von Dekadenz, Korruption und der Macht des schnöden Mammons – hier gibt es das volle populistische Programm, das auch und vor allem rechten Zeit- und Volksgenossen gefallen dürfte. Im Mittelpunkt steht jedoch immer wieder „unser Land“. Nationalismus hat ja wieder Hochkonjunktur. Die Erfolge rechtsextremer Parteien in Deutschland und Europa legen davon beredtes Zeugnis ab. Vergleicht man „300“ zum Beispiel mit dem Barbarenepos „Conan“ aus den frühen 80er Jahren wird dieser Paradigmenwechsel sehr deutlich. Denn Conan ist ein Individualist und ein Nihilist, der in erster Linie seine Rachegelüste stillen will und daher auch niemals vorhat, sich für die gute Sache zu opfern. Und es deshalb auch nicht tut. Aber das bleibt letztendlich nur Vermutung, denn zu seinen Motiven schweigt er verbissen, auch hier ganz anders als der so unlakonisch geschwätzige König von Sparta, der unaufhörlich Propaganda-Gewäsch von sich gibt und sich nichts sehnlicher wünscht, als für die gute Sache zu sterben. Was ihm schließlich auch vergönnt ist.

Das ist in der Tat nationalistisch – das Land ist mehr wert als die einzelne Person – und birgt in sich schon den Keim des Faschismus. Es braucht nur einen äußeren Anlass beziehungsweise einen äußeren oder inneren Feind: eben ein anderes Land oder eine Minderheit im eigenen Land. Es wird sich schon was finden, wenn‘s drauf ankommt. Und so ist es kein Zufall, dass der Film in rechtsextremen Kreisen abgefeiert wird und die Identitären sich daraus ihr Symbol – den griechischen Buchstaben Lambda – entlehnt haben.

So bleibt ein mehr als fader Beigeschmack nach all diesem heiteren Gemetzel. Zur Versöhnung nach unserem kleinen Krach hätten mein Mitbewohner und ich uns vielleicht gemeinsam den Splatter-Klassiker „Braindead“ von Peter Jackson angeschaut, dessen Wandel vom Horror-Provokateur zum Mythen-Erzähler gewisse Ähnlichkeiten zu dem Werdegang Snyders aufweist.

Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Mehr zum Thema Krieg und Frieden in der Filmkunst gibt es hier. Und hier könnt ihr den Essay in dem Buch „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ nachlesen.