Hier einige Anmerkungen zu der 27. Ausgabe des außerordentlich verdienstvollen Buchmagazins „testcard – Beiträge zur Popgeschichte“, die sich mit einem Thema beschäftigt, das leider immer wichtiger zu werden scheint: Rechtspop. Es geht also um um volkstümlichen Schlager, rechtsextreme Populärkultur und Popmusik, um faschistische Ästhetik im Europa, Russland und den USA, um rechte Memes und Hakenkreuze, um Comics und Videospiele, um Querfront und Volksgemeinschaft, um Männlichkeit und Frauen in der identitären Szene, um Rechtsrock und Rap von rechts, um Refeudalisierung und Autoritarismus. Das ganze schmutzige Programm also.

Die testcard fühlt sich der Poplinken zugehörig. Doch was ist das überhaupt? Sind es Linke, die sich auf sozialwissenschaftlicher Basis mit Popkultur beschäftigen? Die selbst emanzipatorische Popkultur schaffen? Die in die Popkulturrezeption kritisch intervenieren wollen? „Popmusik galt als ästhetischer Ausdruck von Emanzipationsbewegungen“, heißt es im Editorial. „Vom herrschenden Status quo abweichendes Verhalten war als Vorschein auf ein besseres Morgen für alle sichtbar. (…) Popmusik als verändernde Kraft, und in diesem Sinne gesellschaftspolitisch linkes Projekt, war (und ist) nicht bloß ein (linker) Mythos.“ Somit wäre Popkultur als Experimentierfeld und Agitationsmittel zu verstehen.

Doch reicht das aus als Standortbestimmung? Linke können sozialdemokratisch, sozialistisch oder kommunistisch sein. Oder anarchistisch, marxistisch oder stalinistisch. Vielleicht sogar antiimperialistisch oder antideutsch. Aber poplinks? Welcher gesellschaftspolitischen Analyse liegt dieser Definition zugrunde?

Abseits von möglichen Definitionen bleibt die grundsätzliche Frage, was eine Zeitschrift wie die testcard bewirken kann. Dies gilt umso mehr für die aktuelle Ausgabe, die eben zeigt, dass Pop nicht per se links ist, sondern sehr wohl auch von rechts besetzt werden kann. Die Ausflüge zu den Anfängen des Faschismus in Italien und des Nationalsozialismus in Deutschland zeigen, dass dies auch gar keine neue Entwicklung ist, sondern dass faschistische Bewegungen schon immer gut darin waren, kulturelle Strömungen aufzugreifen und für sich zu vereinnahmen. So wie es auch heute geschieht, wie Jonas Vogel beobachtet: „In ihrem grollend-neidenden Angriff auf den ‚links versifften Mainstream‘ adaptieren die Neuen Rechten den methodischen Gedanken der Gegenöffentlichkeit – um diesen als Konkurrenten für sich zu besetzen. Angesichts des von ihnen verstandenen anti-nationalen linken Mainstream wollen sie einen hegemonialen Diskurs des Nationalen etablieren, nur um infolgedessen ‚wieder‘ nationale Politik, die sich also bedingungslos einer deutschen Volksgemeinschaft verpflichtet, realisieren zu können.“

Wie wir als Poplinke mit all dem theoretisch umgehen und was wir ihm praktisch entgegensetzen können, kann ich an dieser Stelle natürlich auch nicht sagen“, konstatiert Frank Apunkt Schneider. „Die hier lediglich in den allergröbsten Umrissen geschilderte Poprechte lässt sich von einer Poplinken, die sich selbst ernst und beim Wort nimmt, aber vermutlich effektiver bekämpfen als vom traditionell aktivistisch orientierten Antifaschismus, der natürlich trotzdem ein wichtiger Verbündeter ist. Den Pop-Antifaschismus und den Anti-Popfaschismus, den die Gegenwart braucht, wird er aber vermutlich nicht allein stemmen können. Wir können uns also keineswegs darauf herausreden, dass wir nicht wüssten, was wir zu tun hätten.“

Was kann also eine Popkultur – über die akribische Beschreibung von aktuellen Entwicklungen hinaus – leisten und bewirken? Kann sie eigene Handlungsoptionen entwickeln? Durch Aufklärung? Oder kann sie gar „emanzipative Ästhetiken“ (Konstantin Jahn) entwickeln? Oder ist es nicht vielmehr so, dass jede Ästhetik mit beliebigem Inhalt gefüllt werden kann? So wie es die Rechten eben auch versuchen, in ihrem Streben nach kultureller und letztlich gesellschaftlicher und politischer Hegemonie?

Tatsächlich reicht es eben nicht aus, nur die Schlechtigkeit der Gegenseite aufzuzeigen, denn die „Gratiswerbung durch die kritische Berichterstattung der etablierten Massenmedien“ (Steffen Hendel) darf nicht unterschätzt werden. Auch linke Bewegungen wie der Punk setzten schließlich auf das Mittel der Provokation, um einen größtmöglichen Bekanntheitsgrad zu erreichen. Andererseits können Initiativen wie „Keinen Pixel dem Faschismus“ durchaus wichtige Beiträge zu einer antifaschistischen Praxis liefern, in dem rechte Inhalte in Computerspielen benannt und gebannt sowie eigene Narrative und Ästhetiken in Spiele eingeflochten werden.

Was aber vielleicht am dringendsten benötigt wird, ist eine Populärkultur, die auch gezielt Menschen außerhalb der linken Blase erreicht. Verliert die Linke diesen Kampf um die kulturelle Hegemonie, droht eine neokonservative Ära, die zu Krisen und Kriegen führen wird, deren Folgen noch gar nicht abzusehen sind. Antifaschismus ist eben nicht Aktivismus um des Aktivismus willen, sondern muss auf strategischen und taktischen Überlegungen beruhen. Antifaschismus bedeutet – um mit dem Vokabular der sogenannten Neuen Rechten zu sprechen – „Metapolitik“ und den „Krieg der Information“ gezielt zu einem Betätigungsfeld der Linken zu machen. Das passiert natürlich sowieso schon, aber es werden noch zu viele Fehler begangen, vielleicht auch deshalb, weil sich viele Linke genussvoll einer Art Untergangsstimmung hingeben, anstatt tatsächlich für den gesellschaftlichen Fortschritt einzutreten – und zu begründen, warum dieser nicht nur nötig, sondern auch möglich ist. In den letzten Jahrzehnten erzielte Erfolge dürfen dabei durchaus auch gewürdigt werden. Wer gesellschaftlichen Fortschritt nicht anerkennt, sondern leugnet, wird tatsächlich irgendwann nur noch auf der Stelle treten.

Die aktuelle Ausgabe der testcard liefert einen guten Einblick in die Thematik Rechtspop. Und ist auch deshalb so lesenswert, gerade weil sie so viele weitergehende Fragen aufwirft.

testcard. Beiträge zur Popgeschichte, #27 Rechtspop, Ventil Verlag 2023, 290 Seiten

Mehr Infos gibt es auf der Verlagsseite.

Der Herr der Ringer