„Der Soldat braucht Krieg, damit er gerechtfertigt ist.“ Kurt Tucholsky
Sprache ist verräterisch. Sie sagt manchmal mehr über einen Menschen aus, als dieser zu sagen glaubte. Ich weiß nicht, ob Bomben-Boris Pistorius absichtlich das Wort „kriegstüchtig“ verwendet hat oder ob er es „versehentlich“ benutzt hat.
Aber so oder so stimmt er die deutsche Bevölkerung darauf ein, dass Kriege zum Alltag gehören werden. Verteidigungskriege natürlich. Noch nie sind andere Kriege geführt worden in der Weltgeschichte! Immer ging es darum, sich zu verteidigen. Das war 1914 nicht anders als 1939. Zu Beginn des 1. Weltkriegs glaubten die Deutschen vielleicht sogar selbst, im Recht zu sein. Und 1939 machten sich Nazis immerhin die Mühe, einen Angriff durch Polen vorzutäuschen. Eine lächerliche Lüge natürlich.
Heute soll die Bundeswehr also wieder „kriegstüchtig“ werden. Und auch die deutsche Bevölkerung. Das kann einem Angst machen, denn ich will gar nicht „kriegstüchtig“ sein. Es wäre mir lieber, wir werden friedensfähig.
Die deutsche Bundeswehr, heißt es aus Bundeswehrkreisen, sei alles andere als kriegstüchtig. Sie sei mangelhaft ausgerüstet, schlecht ausgebildet und habe zu wenig Soldaten.
So wenig wie ich Historiker bin, so wenig bin ich Militärexperte. Ich bin vielleicht der einzige unter 80 Millionen Deutschen, der kein Militärexperte ist. Und doch misstraue ich diesen Behauptungen, denn ich habe noch nie einen deutschen Soldaten, einen Offizier zumal, gehört, der etwas anderes sagt. „Wir sind die am besten ausgerüstete und ausgebildete Armee Westeuropas mit einer ausreichenden Zahl an hochmotivierten Soldaten.“ Nein, das habe ich noch nie gehört. Warum auch? Dieser Satz würde nicht dazu animieren, den Rüstungsetat zu erhöhen. „Ach so, dann brauchen sie wohl keine zusätzlichen 100 Milliarden Euro?“ „Nein, danke! Hier läuft‘s auch so ganz gut.“ Dieser Dialog ist so nicht zu gehören und wird auch so niemals zu hören sein. Jedenfalls dann nicht, wenn ich Militärs befrage.
Kriegstauglich. Kriege beginnen nicht mit Kriegserklärungen. Sie beginnen damit, Kriege denkbar zu machen. Die Menschen müssen eingestimmt werden auf ihn. Sogar die Soldaten müssen auf ihn vorbereitet werden. Mancher junge Mann wird sich freiwillig zur Bundeswehr gemeldet haben, in der Annahme, dass er bis zum Ende seiner Dienstzeit in der Etappe sitzen wird. Weit weg von der Front, weit weg von jedem realen Einsatz. Wem jedoch gesagt wird, dass die Truppe, in der er dient, „kriegstüchtig“ gemacht werde, soll sich dieser Illusion nicht mehr hingeben dürfen.
Deutschland – oder vielleicht auch nur die deutsche Rüstungsindustrie – braucht junge Männer und Frauen, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen. Und dort zu sterben. Das heißt „kriegstüchtig“. Und wir an der Heimatfront, in Frankfurt/Oder oder Frankfurt/Main, wir sollen ihnen den Rücken stärken. Und viel Geld ausgeben, um sie besser auszurüsten, diese winzige, unfähige Truppe von Amateuren und Dilettanten. Damit wir endlich wieder Krieg führen können. Vielleicht bald in der Ukraine. Oder irgendwann wieder in einem anderen Teil der Welt.
Nochmal zur Sprache: Wir müssen also „kriegstüchtig“ sein, weil „wehrfähig“ nicht mehr reicht. Heißt das vielleicht auch, dass wir „angriffsfähig“ sein soll? Denn ist nicht Angriff die beste Verteidigung?
Der letzte, den ich fragen würde, ob seine Truppe, kriegstüchtig sei, wäre also ein deutscher General. Sagt er „Nein“, will er mehr Geld für die Waffen, sagt er „Ja“, signalisiert er seine Bereitschaft zum Krieg. So gesehen kann seine Antwort nur falsch sein. Und sagt er „Weiß ich nicht“ sollte er sich vielleicht auch besser einen anderen Job suchen.
Manchmal wird gefordert, dass endlich ein hoher deutscher Offizier Verteidigungsminister werden solle. Der sei schließlich vom Fach und verstünde etwas von diesem Handwerk.
Ich möchte da widersprechen. Kaum jemand ist weniger geeignet, Verteidigungsminister zu sein, als ein Angehöriger des Militärs. Außer ein Thyssen Krupp-Lobbyist vielleicht. Denn deutsche Generäle wollten schon immer gerne Krieg führen. Ein Verteidigungsminister im Generalsrang würde immer erwägen, ob er nicht endlich mal seine Soldaten und Offiziere im Einsatz sehen kann.
Die Verteidigung der Bundesrepublik ist in erster Linie keine militärische Angelegenheit, sie ist eine politische. Eine Verteidigungsministerin ist daher auch keine Oberbefehlshaberin, sondern eine Art Außenpolitikerin. Sie hat in Absprache mit der Regierung, dem Parlament und den Verbündeten diplomatische Lösungen zu suchen. Sie sollte keine Kriegs- sondern eine Friedensministerin sein.
Der Krieg ist bloß die Ultima Ratio der Verteidigungspolitik. Pistolius will mit seinem Gerede von „Kriegstüchtigkeit“ der Bundeswehr den Krieg wieder salonfähig machen.
Das Wort „kriegstüchtig“ muss man sich immer mit den Klängen marschierender Soldatenstiefel unterlegt vorstellen.
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