„Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun“, heißt es in einem altehrwürdigen Arbeiterlied. Und auch keine Tribunin, möchte man angesichts der Gründung einer Partei, die sich nach ihrer Anleiterin Bündnis Sahra Wagenknecht nennt, hinzufügen. Die ehemals rote (heute eher schwarz-rot-goldene Sahra) hat hat ihren ganzen Übermut zusammengenommen, um sich selbst an die Spitze einer Partei neuen Typus zu setzen: der Anti-Spaß-Partei. Doch nicht nur Spaß mögen die Wagenknechte nicht, auch das Gendern, hohe Gaspreise, skurrile Minderheiten und Selbstverteidigung gegen Diktaturen, die kleinere Nachbarstaaten überfallen, lehnen sie grundsätzlich ab.

Gut finden ihre Mitstreiter:innen hingegen Sahra Wagenknecht. Und sich selbst. Weil sie Sahra Wagenknecht in ihrer Mitte haben. Und an der Spitze. Und im Hintergrund. Und im Vordergrund. Ja, jetzt wird  Ernst gemacht mit Politik für verwirrte Menschen, die nicht wissen, ob sie mehr die da oben hassen oder die Fremden ablehnen sollen. Niemand weiß, was das mit Vernunft zu tun hat oder mit Gerechtigkeit, aber irgendeine KI hat gesagt, dass diese Wörter immer ziehen, weil eigentlich niemand was dagegen sagen kann.

Aber jetzt heißt es erst mal wieder aufstehen und denen da oben (also Janine Wissler und Katja Kipping) zeigen, wer hier der Herr bzw. die Frau im Hause ist. Also wer die Hosen anhat. Respektive das Kostüm. Und wer den strengsten Dutt hat. Und das ist unangefochten Sahra Wagenknecht. Nicht einmal die Schweizer Gouvernante Alice Weidel kann da mithalten. Außerdem ist Sahra bekanntlich die gerechteste und vernünftigste Politikerin, die Deutschland jemals gesehen hat. Noch vor Angela Merkel. Und vielleicht ist sie auch die reichste, denkt man an die Tantiemen, die sie mit dem Buch verdient hat, das sie in ihrer Zeit als Abgeordnete für eben jene die Partei geschrieben hat, die sie darin lauthals beschimpft. Die Zeit, die sie nicht in Fraktions-, Ausschuss- und Plenarsitzungen verbracht hat, obwohl sie dafür bezahlt wurde, hat sie also vernünftig genutzt. Da ist es mehr als gerecht, dass sie nun ihre eigene Partei aufmacht, die sich an die gänzlich unskurrile Minderheit derjenigen richtet, die gleichzeitig rechts, links und in der Mitte sein wollen.

In der Praxis kann das dazu führen, dass sie die einen nicht wählen werden, weil ihr das BSW zu rechts ist und die anderen es nicht wählen, weil es ihr zu links ist. Das kann ich gut verstehen. Ich würde ja auch keinen Rotkohl-Brechbohnen-Auflauf essen, wenn ich zwar Rotkohl mag, aber Brechbohnen nicht ausstehen kann.

Apropos Brechbohnen! Das Bündnis für Sahra Wagenknecht will ja eine Alternative zur AfD sein. Zu befürchten bleibt aber eher, dass es eine AfD light wird. Denn sie will Ausländer zwar nicht unbedingt remigrieren, aber auch möglichst keine neuen reinlassen. Dass die Hälfte des Parteivorstands selbst Migrationshintergrund hat, darf man da durchaus bigott nennen.

Wer Sahra jemals sorgenvoll in einer Talkshow sitzen sah – und man kommt ja kaum drumherum, weil diese Skandalnudel immer eingeladen wird – weiß aber eines mit Sicherheit: Hier droht (wie ich schon eingangs behauptet habe) wirklich keine neue Spaßpartei. Sondern eine Partei mit Inhalt. Mit Vernunft. Mit Ernst. Mit Klaus Ernst.

Die Partei Die Partei bleibt also Deutschlands einzig wahre Spaßpartei. Auch wenn hier Woche für Woche die  gleichen Witze gemacht werden. Und Witze werden durch Wiederholung nun wirklich nicht besser. Selbst die schönsten running gags zünden irgendwann nicht mehr. Nicht unwahrscheinlich ist es jedoch, dass der Liste Wagenknecht eine ähnlich erfolglose Politik droht, wie sie Martin Sonneborn und sein Fanclub schon jetzt praktizieren.

Aber genug geschimpft! Wenden wir uns wieder dem eingangs zitierten Lied zu: „Uns von dem Elend zu erlösen, müssen wir schon selber tun“, heißt es in der nächsten Zeile. Was übersetzt bedeutet: Eine prominente großbürgerliche Publizistin als Spitzenkandidatin macht noch keine Partei. Dafür braucht es schon ein bisschen mehr.

Mitglieder zum Beispiel und Wählerinnen und Wähler. Vielleicht wird es eben also doch die von Wagenknecht so gescholtene Linkspartei sein, die am Ende von der Abspaltung profitieren wird. Denn all diejenigen, die sich nicht mehr getraut haben, die Linke zu wählen, weil sie Angst hatten, ein rechtes Kuckucksei auszubrüten, dürfen nun wieder getrost dort ihr Kreuzchen machen, wo sie es schon früher gemacht haben.

Anders gesagt: Bis zu Wagenknechts Ausstieg aus der Partei wusste man nicht, was man bekam, wenn man zur Linken gegriffen: eine leckere Schnapspraline oder eine eklige Yogurette.

Jetzt darf man endlich wieder herzhaft zubeißen.

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