Das gemeinsame Familienleben beginnt schon lange vor der Geburt des Kindes. Man ist nie mehr ganz allein mit der Dame seines Herzens. Auch die werten Mitmenschen lassen es sich nicht nehmen, einen spüren zu lassen, dass man jetzt Teil eines großen Ganzen ist – und dass man selbst nicht als dessen wichtigster Part angesehen wird.

Wie geht es Anita?“ fragt man mich, anstatt zu fragen: „Wie geht es dir?“

Zur Verabschiedung heißt es dann: „Schönen Gruß an Frau und Kind!“ Dann drehen sie sich wortlos um.

Mich begrüßt niemand, und niemand lässt mich grüßen. Manchmal habe ich das Gefühl, für meine Umwelt gar nicht mehr wirklich wahrnehmbar zu sein.

Aber nun gut, immerhin gilt das Interesse auch meinem ungeborenen Kind, da stecke ich gerne mal zurück.

Dass wir von jetzt an eine Familie sind, merke ich auch daran, dass wir viel Zeit miteinander verbringen. Anita und das Kind hocken ja sowieso immer zusammen, aber manchmal werde auch ich in dieses traute Beisammensein einbezogen. Zum Beispiel heute: Da ist beim Geburtsvorbereitungskurs Partnertag. Wir werdenden Väter sitzen mit unseren schwangeren Frauen gemeinsam auf dem Fußboden des Seminarraumes im Familienzentrum.

Und einatmen“, sagt die Hebamme. Ich atme ein.

Und ausatmen“, sagt die Hebamme. Ich atme aus.

In der nächsten Übung geht es um die verschiedenen Arten von Wehen. Dazu üben wir das jeweils passende Stöhnen.

Es gibt zwei Varianten: „Aaaahhhh!“ Und: „Oooooohhhh!“

Ich komme mir ein wenig albern vor, so dass ich zwischen den Wehen bzw. dem Stöhnen immer mal wieder in Lachen auszubrechen drohe.

Da gibt es nichts zu lachen. Ihre Frau hat Schmerzen“, sagt die Hebamme und schaut mich drohend an.

Jetzt habe ich Angst, dass ich gleich Schmerzen haben werde.

Ich nicke und stöhne schon mal präventiv.

Dann werde ich an die Wand gestellt. In Jogginghose und im T-Shirt. Dort stehe ich dann breitbeinig und tu so, als würde ich gebären. Dazu stöhne ich: „Aaaahhhh!“

Ich kann schon den Kopf sehen!“ sagt Anita.

Ooooooohhhhh!“ antworte ich.

Und pressen!“ sagt sie. „Und pressen!“

Sie schüttelt den Kopf: „Jetzt ist das Baby wieder reingeflutscht. Du kannst das nicht, lass mich mal.“

Nun hockt sie da, breitbeinig, mit dem Rücken zur Wand.

Aaaaaahhhh!“ sagt sie inbrünstig.

Lauter!“ fordere ich sie auf.

OOOOHHHHH!“ sagt sie.

Super!“ lobe ich sie. „Aber da ist noch nichts zu sehen.“

Doch“, antwortet sie, „guck mal richtig nach.“

Ich gucke nach: „Nein, da ist noch nix! Du musst lauter stöhnen!“

AAAAAAAAHHHHHHH!!!“ schreit sie.

Ja, ja, der Muttermund ist schon ganz weit auf. Wie ein Scheunentor“, erkläre ich. „Trotzdem: Noch lauter!“

AAAAAAAAAAAHHHHHHHH!!!!“

Was ist denn hier los?“ fragt uns die Hebamme. Wir schauen sie an. Alle anderen schauen uns an.

Wir sind gleich soweit. Holen sie schon mal den Arzt.“

Ich glaube, wir machen jetzt mal eine Entspannungsübung“, sagt die Hebamme.

Wir unterbrechen kurz die Geburt. Es hat ja zum Glück noch ein bisschen Zeit.

Nach dem Kurs schlendern eisessend durch die Innenstadt.

Hallo Anita!“ rufen Freunde von uns von der anderen Straßenseite. „Wie geht es dir?“

Danke, mir geht es gut!“ antworte ich.

 

Falsch verbunden