„Frieden: mehr als ein Wort. Gedichte und Geschichten“. So hieß eine Anthologie, die ich als Jugendlicher geschenkt bekommen hatte. Und sogar gelesen habe. Glaube ich.

Frieden. Erst mal ist es ja nur ein Wort.

Ein friedliches Wort. Ein liebes Wort. Ein niedliches und nie betrübliches. Ein erquickliches. Ein …

Nein, das stimmt nicht. Das ist Quatsch. Denn Frieden ist nicht denkbar ohne sein Gegenteil, den Krieg. Frieden ohne Krieg gibt es nicht. Im Frieden schwingt immer der Krieg mit. Denn Frieden meint immer die Abwesenheit von Krieg.

Liebe zum Beispiel gibt es auch ohne Hass. Keine Liebe also. Nicht-Liebe. Oder vielleicht auch bloß Gleichgültigkeit.

Aber Frieden? Beziehungsweise kein Frieden? Was soll das sein? Ist kein Frieden nicht immer Krieg? Vielleicht auch nur ein kalter?

Frieden scheint es also ohne Krieg nicht geben zu können.

Der (schon von Kant beschworene) Ewige Frieden wäre dann gar kein Friede mehr, sondern der Normalzustand, der gar nicht gesondert bezeichnet werden müsste.

Ein Normalzustand, der wieder so weit in die Ferne zu rücken scheint, dass wir ihn uns schon gar nicht mehr vorstellen können.

Komisch eigentlich.

Krieg und Frieden scheinen derzeit ja wieder zum Normalzustand zu werden.

Die Ukraine und Russland liegen im Krieg.

Europa und Russland führen einen Handelskrieg.

Noch gibt es keinen Krieg in Taiwan.

Was müsste eigentlich geschehen, um Krieg und Frieden abzuschaffen?

Willkommen zur Tagesschau: „Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat im Namen des bayerischen Volkes Baden-Württemberg den Krieg erklärt. Winfried Kretschmann zeigte sich überrascht und kehre vorzeitig aus dem Skiurlaub zurück.“

Geht ja gar nicht, höre ich Sie!

Warum eigentlich nicht?

Weil Baden-Württemberg und Bayern zum selben Staat gehören! Also müsste es nur einen Staat auf der Welt geben, damit es keine Kriege mehr gibt?

Keine Grenzen? Keine Kriege?

Vielleicht.

Aber ist das nicht utopisch und illusorisch? Gar lächerlich?

Vielleicht bloß so illusorisch wie im 19. Jahrhundert die Gründung des Deutschen Reiches war, bevor sie 1871 vollzogen wurde. Oder die Gründung des Völkerbundes im Jahre 1920 oder der Vereinten Nationen 1945. Oder die Gründung der EU durch ehemaligen Todfeinde des 2. Weltkriegs.

Absurd. Grotesk. Lächerlich.

Und dann ganz schnell möglich, als es nötig war.

Manchmal braucht es vielleicht auch ein bisschen Druck von außen oder von innen.

Westeuropa benötigte zwei Weltkriege, um sich zu einigen und die längste Friedenepoche der Geschichte einzuleiten. Und die realsozialistischen Staaten als gemeinsamen Gegner waren vielleicht auch ganz hilfreich.

Kriege kennen wir ja schon und wissen eigentlich, dass die nicht sooo geil sind.

Aber was wäre heute unser gemeinsamer Gegner? Russland, klar, das geht immer.

Aber jetzt mal auf Weltebene gedacht!

Aliens vielleicht? Die Marsmenschen! Cool!

Oder der Weltuntergang! Also die Klimakatastrophe! Eine Pandemie! Das Artensterben!

Würde das nicht ausreichen als Bedrohungsszenario, das uns zusammenschweißt?

Mal ernsthaft: Wer glaubt wirklich, dass wir den Klimakollaps verhindern können, wenn wir nicht gemeinsam handeln?

Na…?

Also sollten wir der drohenden Klimakatastrophe den Krieg erklären.

Sonst droht doch noch: ewiger Frieden. Im negativen Sinne. Ein Frieden ohne Kriege. Und ohne Krieger. Weil: ohne Menschen.

Frieden ist mehr als ein Wort.

Frieden ist das Ziel.

 

Je ne sais pas un Wagenknecht

Axel Klingenberg: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!