19. März 2023, Eintracht Braunschweig gegen die Stadt, die nicht genannt werden kann. Es ist viel passiert in der letzten Zeit. Wir sind auf Platz 17 gelandet, mit drei Punkten Rückstand auf Platz 16 und vier auf Platz 15. Wir sind die schlechteste Mannschaft der Liga, bezogen auf die letzten fünf Spiele. Und jetzt das Derby! Kannste dir nicht ausdenken.

„Warum ist man eigentlich kein St. Pauli-Fan, sondern hat sich diesen Scheiß-Verein ausgesucht?“, frage ich rhetorisch in unseren Fanchat, auf die sieben Siege der Kiezkicker in den letzten sieben Matches anspielend.

„Weil wir Künstler sind,“ antwortet Frank, „Erfolg ist langweilig. Misserfolg literarisch.“

Till ergänzt: „Das Sexleben der Philosophen besteht nun mal aus Katastrophen.“

„Ja, ihr habt mich überzeugt,“ tippe ich ein. „Das klingt alles sehr ansprechend.“

Der Mannschaft aus der Stadt, die nicht genannt werden kann, ist übrigens nicht sooo viel besser dran. Sie ist das schlechteste Team der Rückrunde. So oder so – ein Sieg muss her!

Das Alkoholverbot ist jedoch eher kontraproduktiv. Bier gibt es nur bis eine halbe Stunde vor Anpfiff. Dann muss man halt vorher schneller trinken.

Die Fans der Rothosen tragen heue alle rote Jacken. Die ferngezündeten blau-gelben Rauchschwaden im Gästeblock zum Auftakt des Spiels schmälern diesen uniformen Eindruck jedoch etwas… Schamesröte legt sich über die gegnerische Fankurve. Die Aktion sorgt für viel Gelächter im Stadion – und wird als gelungene und gewitzte Antwort auf die unsäglichen Kreuze angesehen, die wenige Tage zuvor in den Vorgärten zweier Eintracht-Spieler aufgestellt worden waren.

Natürlich gibt es auch ansonsten viel Pyro im übrigens nicht ausverkauften Stadion. Dass jedoch sowohl das Spielfeld beschossen wird als auch die Nordkurve, ist absolut inakzeptabel. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich. Und ein Fußballspiel ist immer noch ein Fußballspiel. Und kein Krieg. Die Braunschweiger Choreo ist jedoch großartig! Wenngleich ich sie mir natürlich erst nach dem Spiel in voller Pracht und Schönheit auf dem Bildschirm anschauen kann, da ich ja mitten drin stehe. „Braunschweig ist schöner als Hannover“, singen wir also und es ist mir fast gar nicht peinlich, in ein Karnevalslied einzustimmen. Ob jedoch dem Schwarzen Herzog – immerhin ein Sinnbild des deutschen Nationalismus und Militarismus (und Namenspatron eines furchtbar schmeckenden Schwarzbieres) – in einer Choreo gewürdigt werden sollte, sei dahingestellt. Während des restlichen Spiels gehen übrigens auch die unflätigen Gesänge heute durch.

Das Spiel ist spannend, aber spielerisch mehr so mittel: viel Flipper, viele Kerzen, viel Schwaken. Und immerhin viel Einsatz, ohne jedoch grob unfair zu werden. Auch über fehlende Chancen kann man sich nicht beschweren. Nur über die mangelnde Verwertung. Nach der Halbzeit geht es munter weiter, viele Chancen, viele Aluminiumtreffer. Das entscheidende Tor fällt erst in der Nachspielzeit, ausgerechnet als die Eintracht etwas zu schwächeln scheint. Nikolaou stolpert irgendwie den Ball rein, nach einer Ecke und einer Vorlage von Ujah.

Abpfiff. Sieg!

Die Mannschaft wird gefeiert, insbesondere Ujah, Ujah, Ujah, was dem eigentlichen Derbyhelden Nikolaou gegenüber vielleicht ein bisschen unfair ist. Nach dem Abpfiff wird zünftig gefeiert und „Humba humba Tätärä!“ gesungen. Nein, heute ist einem nichts peinlich. Die Roten sind übrigens sauer, in der Gästekurve brennt‘s!

Und wir sind: Derbysieger, Derbysieger, hey, hey!

Hier geht es noch zum krönenden Abschluss der irgendwie bewältigten Saison.

Mehr über Eintracht Braunschweig habe ich in meinen Büchern „Blau-Gelb-Sucht“ und „Eintracht Braunschweig – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ geschrieben.