Sommerliche Open-Air-Festivals – nur bei ihnen hat man die Möglichkeit, so viele großartige Bands innerhalb kürzester Zeit zu sehen. So durfte ich zum Beispiel beim Rock am Ring, beim Rock Hard-Festival in Gelsenkirchen und „in Scheeßel“ (wie wir Insider das Hurricane-Festival nennen) in den letzten Vor-Corona-Jahren AnnenMayKantereit, Marteria, Egotronic, Bonaparte, die Broilers, Long Distance Calling, Gojira, Kraftklub und 8Kids sehen. Um nur einige zu nennen (und die, deren Auftritte mir gefallen haben). Na gut, Prophets of Rage, The Prodigy, Samy Deluxe und Die Toten Hosen waren auch dabei, aber ihre Darbietungen können leider nur als dürftig bezeichnet werden, so dass wir über sie kein weiteres Wort verlieren wollen. Rammstein hingegen traten am Nürburgring aufgrund eines Bombenfehlalarms gar nicht erst auf. Und das, obwohl sie doch der eigentliche Grund waren, warum mein Schwager Horst mich überredet hat, dieses Festival mit unserer Anwesenheit zu beehren.

Doch der Preis ist hoch für diesen verdichteten Kulturgenuss, nicht zuletzt weil die Preise hoch sind. Zu den negativen Dingen, die Festivals auszeichnen, sind die überhohe Lautstärke, die ununterbrochene Werbebeschallung, das stundenlange (An-)Stehen, die miserable Unterbringung (Zelten!), die hohen Eintrittspreise, die erhöhte Sonnenbrandgefahr, die zu hohen Getränkepreise, die erbärmlichen sanitären Anlagen, der ständige Durst, die zu hohen Essenspreise, der ständige Nachdurst, die drohenden Erkältungskrankheiten im Nachgang und die durchgehende Verkaterung ab Tag 2 zu zählen. Nicht zuletzt wird man als etwas älterer Herr gerne demütigend oft gesiezt.

Ob vielleicht kleinere Festivals die Lösung sind? Leider nicht. Sie unterscheiden sich nicht einen Furz von den Megaevents, nur dass die Eintrittspreise ein klein wenig erschwinglicher sind. Beim „Punk in drublic“-Festival habe ich die Probe aufs Exempel gemacht. Wir waren von der ersten Minute an da, damit wir auch ja keine Band verpassen, doch bei den alljährlichen Headlinern NoFX konnte ich dann auch schon nicht mehr und hätte gerne mein müdes Haupt auf den staubigen Boden gebettet, nachdem ich mich insbesondere bei Talco über die Maßen verausgabt hatte.

Ansonsten sind die Probleme die gleichen: Auch nach Corona spielt Hygiene auf Open-Air-Festivals keine größere Rolle, denn es sind die selben dürftigen Kleinzellenklos wie eh und je, auf denen man sein Geschäft verrichten soll. Natürlich gibt es davon wie immer viel zu wenige und natürlich wird sogar großzügig darauf verzichtet, eine Möglichkeit anzubieten, sich die Hände zu waschen – von Desinfektionsmittel ganz zu schweigen. Warum die Gesundheitsämter hier nicht härter durchgreifen, ist eigentlich nur mit der geistigen Regression zu erklären, die unsere Zivilisation fest im Griff hält.
Die Frage bleibt also: Warum tut man sich das an? Warum besucht man Jahr für Jahr diese überteuerten und gesundheitsgefährdenden Veranstaltungen, deren kultureller Mehrwert im keinen Verhältnis zu den überaus hohen Risiken zu stehen scheint, die sie mit sich bringen?

Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Nur bei ihnen hat man die Möglichkeit, so viele großartige Bands innerhalb kürzester Zeit zu sehen.

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