Der Sommerurlaub gilt unter kapitalistischen Produktionsbedingungen als so etwas wie ein Ausgleich für die Unbill der täglichen Lohnarbeit, die unser aller Leben zu einer entfremdeten Angelegenheit macht.
Urlaub ist also ein etwas längerer Abschnitt, in dem man die sogenannte „Freizeit“ genießen kann. Hier kommt man – vermeintlich – ganz zu sich selbst und wird nicht mehr von Chefs drangsaliert, von Kunden genervt oder von Geschäftspartnern übers Ohr gehauen. Sondern von anderen Menschen. Zum Beispiel von Hoteliers, Souvenirverkäufern oder anderen Touristen.
Dabei hängen viel zu viele Erwartungen am Urlaub, denn hier soll man doch für all die Zumutungen entschädigt werden, denen wir Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr ausgesetzt sind. Im Urlaub jedoch dürfen wir machen, was wir wollen! Endlich! Urlaub ist Freizeit, Urlaub ist Freiheit. Was natürlich nicht stimmt. Denn auch im Urlaub entkommen wir nicht der Sklavenmarktwirtschaft. Es gibt keine richtigen Ferien im falschen Gesellschaftssystem.
Urlaub ist daher nur ein anderes Wort für Flucht. Und wie bei jeder Flucht geht es für den Flüchtenden darum, möglichst viel Raum zwischen sich selbst und dem Verfolger zu bringen. Das ist der einzige Grund, warum Fern- und Flugreisen so beliebt sind. Doch seien wir ehrlich: Wir können der Arbeit nicht entkommen. Nicht weil sie uns einholt, sondern weil wir zu ihr zurückkommen. Freiwillig und doch gezwungenermaßen. Denn genau das ist das Perfide am Kapitalismus: Der formalen bürgerlichen Freiheit steht die Notwendigkeit des Lohnerwerbs gegenüber. Bei Strafe des Untergangs.
Und so kehren wir am Ende der zwei Wochen, die wir im Elend anderer verbracht haben, reumütig zurück in unser Gefängnis, das wir euphemistisch Arbeitsplatz nennen. Und beginnen sogleich, den nächsten Urlaub herbeizusehnen. Denn war es nicht auch schön am Strand von Mallorca, im Disneyland in Florida oder im Taj Mahal in Indien? Trotz der Hoteliers, Souvenirverkäufer oder anderen Touristen? Ja, das war es! Und genau deshalb funktioniert der Kapitalismus auch weiterhin. Er lässt uns die kleinen Freiheiten (den Urlaub), um uns die große (das Leben) zu nehmen.

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