4. Februar 2022, Eintracht Braunschweig gegen Heidenheim. Was für eine Chuzpe: In der Nacht vor dem Spiel in das Eintracht-Stadion einzudringen und mit Öl die Zahl „96“ in die Mitte des Spielfelds zu malen! Starke Leistung! Die Antwort der Eintracht war hingegen leider – wohl eine Folge des Zeitdrucks – etwas schwach: die unheilige Zahl wurde durchgestrichen und viermal ein etwas witzloses „Nein danke!“ daneben gepinselt. Schöner wäre es doch gewesen, die „96“ durch eine „1“ vorne und eine „7“ hinten zu ergänzen. Durch die Ausbesserungsarbeiten war zudem der Rasen nun ein wenig holperig und bot anscheinend einige kleinere Stolperfallen. Die Rasenaktion war wohl nur ein Vorgeschmack auf das Derby der beiden niedersächsischen Traditionsvereine.
Der Start in das heutige Spiel gegen Heidenheim ist auch nicht gerade berauschend. Die Eintracht spiel schwach, der Gegner zum Glück nicht minder.
In der Halbzeitpause tippe ich trotzdem auf ein 3:0-Endergebnis: Weil: Wir brauchen doch drei Punkte! Am Ende wird es dann ein 2:0-Sieg.
Viel mehr gibt es auch nicht über die ersten beiden Halbzeiten zu berichten, aber die dritte wird dann noch ganz schön, den beiden Fans aus Heidenheim sei Dank, die dachten, sie würden in der Karnevalshochburg Braunschweig freien Eintritt bekommen, wenn sie verkleidet zum Spiel kämen. Leider war das Yoshi-Kostüm (der kleine Dino aus dem Super Mario-Universum!) aufgrund der Farbgebung keine ganz kluge Wahl: Hellgrün und weiß – die Farben des VfL Wolfsburg – kommen in Braunschweig einfach nicht gut an, so dass der Träger des Kostüms mit einem vielstimmigen „Verpiss dich“ begrüßt wurde.
Die anschließende Siegesfeier „beim Araber“ (typisch braunschweigisch mit schlechtgelauntem klaaren A zu sprechen) drohte, wohl aufgrund der monatelangen Fußball-Abstinenz, zu eskalieren, weshalb ich mich relativ früh – also vor Pupillenstillstand – auf mein Sofa begab, um in stiller Freude den Heimsieg zu genießen!
Störche und Löwen
17. Februar, Eintracht Braunschweig gegen Holstein Kiel. Zum Heimspiel gegen Holstein Kiel bekommen wir Besuch aus Neumünster. Meine Schwester Dörte und mein Schwager Horst sind angereist, um das Spiel der Störche in Braunschweig zu erleben. Sie sind daher zu Besuch in dem für seine Gastfreundschaft bekannten Block 5.
Ich hole sie von der Gästewohnung ab, um gemeinsam mit ihnen zum Stadion zu fahren. Horst trägt zwar eine Holstein Kiel-Mütze, allerdings ist die Aufschrift nachgerade dezent, so dass er weder in der Straßenbahn, noch vor oder im Stadion Pöbeleien ausgesetzt ist. Im Block selbst ist das Tragen von Vereinsabzeichen gegnerischer Vereine zwar untersagt, aber wo kein Kläger, da kein Richter.
Der Erlös der Kollekte am Eingang des Blocks geht an die Ultras für die nächste Choreo. Das derbe Derby steht ja an!
Außerdem wird ein Zettelchen mit einem Liedtext verteilt, zu singen nach der Melodie von „36 Grad“ von 2-Raumwohnung: „Braunschweiger Land und wir geh‘n noch weiter, / Herz und Faust schlägt für die Eintracht / immer weiter vor, niemals aufgeben, / Eintracht Braunschweig Fluch und Segen!“. „Weiter“ auf „Eintracht“ zu reimen – nur ein wahrer Freigeist ist dazu imstande. Auch der Refrain zeugt von einer spielerischen Leichtigkeit, wie sie im heimatlichen Liedgut selten zu finden ist: „Laaaa, LaLa, / Laaaa, LaLa, /LaLaLaLaLaaaa LaLa, /Laaaa LaLa“.
And now sports: Eintracht kassiert recht schnell ein zugegebenermaßen wunderschönes Tor und dann auch gleich das zweite.
Skepsis macht sich breit. Können wir das Spiel noch drehen?
Das 3:0 nach der Halbzeitpause scheint dann der Todesstoß zu sein. Aber aus irgendeinem Grunde packt die blau-gelben Jungs auf dem Rasen doch noch der Ehrgeiz uns sie schießen auch mal ein Tor.
Das Publikum – an diesem Zeitpunkt eigentlich schon in norddeutscher Lethargie versunken – wird wieder lebendig, zumal der 2:3-Anschlusstreffer nicht lange auf sich warten lässt.
Ja, schaffen wir vielleicht sogar noch das 3:3?
Auf dem Platz geben sie alles, getragen von engelsgleichen Gesängen auf den Rängen. Das Eckenverhältnis beträgt gefühlte 100:1, und tatsächlich fällt dann irgendwann auch der Anschlusstreffer. Nur der Ausgleich ist – aller stürmerischen Bemühungen zum Trotz – nicht mehr zu schaffen. Aber schön war‘s doch, diesen Kampf zu sehen, diese hochmotivierte und disziplinierte Mannschaft. Traumhaft!
So werden wir nicht absteigen, sind wir uns einig. Möge der gnädige Fußballgott das ebenso sehen!
Nach dem Spiel genießen wir typisches Essen aus der Region (gehen also zum Inder), um hernach in Schadt‘s Brauerei Gasthaus einzukehren, um den hier gebrauten Gerstensaft zu genießen, der besser schmeckt als alle Craft-Beer-Plörre dieser Welt. Ein würdiger Abschluss für ein wunderschönes Spiel!
Ostfalen und Ostwestfalen
5. März, Eintracht Braunschweig gegen Bielefeld. Wir erinnern uns an den 14. Mai 2017. Eintracht verliert auswärts gegen Bielefeld 0:6. Das steckt einem immer noch in den Knochen. Zudem pflegt die Arminia eine Fanfreundschaft mit dem Verein, der nicht genannt werden kann.
Dass die Eintracht mit dem letzten Aufgebot antritt, macht es nicht besser. Und tatsächlich: Nach fünf Minuten gibt es den ersten Gegentreffer. Und nach zwanzig Minuten steht es 0:3.
Das war‘s. Das Stadion ist in Schockstarre.
Zwei Minuten später schießt Pherai plötzlich ein Tor. Niemand hat damit gerechnet. Die Ultras nehmen umgehend den Support wieder auf: „Blau-gelb, stürm voran, alle singen deine Lieder. Und wenn wir mal am Boden sind, stehen wir auf und kommen wieder!“ Lagen wir nicht gegen Kiel auch 0:3 zurück? Tatsächlich wird auf dem Platz wieder Fußball gespielt.
In der 34. Minute später setzt Pherai mit einem weiteren Treffer nach. Doch auch ein Treffer der Bielefelder ist möglich. Spannung pur!
Die Halbzeitpause ist eine Verschnaufpause.
Zu Beginnt der 2. Halbzeit wird zünftig der Gegner geschmäht: „Ostwestfalen, Idioten, Scheiß Arminia Bielefeld.“
Und Pherai spielt weiter überragend. Den Ausgleich macht jedoch der eingewechselte Publikumsliebling Ujah, Ujah, Ujah. In den letzten zwanzig Minuten wird Bielefeld in die Ecke gedrückt. Der Sieg muss her! Na gut, den schaffen sie nicht, aber es ist eine Freude, diese Mannschaft spielen und kämpfen zu sehen.
Abpfiff. Es bleibt beim Unentschieden. Ein Punkt beim direkten Tabellennachbarn! Ein Erfolg? Ja. Und irgendwie auch nicht. Nächste Woche geht es gegen Nürnberg.
Danach das Derby.
Mehr über Eintracht Braunschweig habe ich in meinen Büchern „Blau-Gelb-Sucht„, „Eintracht Braunschweig – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ und „111 Gründe, Eintracht Braunschweig zu lieben“ geschrieben.
Und hier geht es zum Bericht über das Derby!