Es ist eine allzu schöne Vorstellung, dass man als Schriftsteller an seinem Schreibtisch sitzt, gebeugt über sein im Werden begriffenes Buch. Man schreibt, man korrigiert, man lässt gegenlesen, man korrigiert wieder, man schickt das Skript an den begeisterten Verleger und/oder die Lektorin, man korrigiert wieder und – schwupps! – schon ist das Buch fertig, wird gedruckt und verkauft.
Doch ein Buch, das verlegt wird, findet nicht unbedingt gleich massenhaft Käufer. Oft findet es noch nicht einmal den Weg in den Buchhandel. Und wenn es dort nicht an prominenter Stelle liegt, dann …
Man könnte nun alle Buchhändler dieser Welt bestechen, es in ihren Schaufenstern und als Stapelware zu platzieren, aber das wird teuer. Dann könnte man die komplette Auflage ja gleich selber kaufen. Was auch schon Autoren gemacht haben – hier kommt Vatis Geld ins Spiel.
Der andere Weg: Das Kaufinteresse muss geweckt werden. Der Verleger hat zum Beispiel die Möglichkeit, Anzeigen zu schalten. Das kostet auch viel Geld, also rechnet der Verleger hin und her und wieder zurück und schüttelt den Kopf und fragt: „Wie viele Bücher haben wir von dem Autoren XY beim letzten Mal verkauft?“
„Es ist ein Erstlingswerk, Herr“, antwortet sein Buchhalter-Lakai.
„Dann kennt ihn also niemand?“
„Niemand, Herr.“
Seufzen, Kopfschütteln.
„Aber …“, will man da als Schriftsteller einwenden, schließlich steht man schon die ganze Zeit daneben, aber eine Handbewegung des Verlegers lässt einen sogleich verstummen.
„Ich muss nachdenken“, fährt der Herr Unternehmer fort mit seinem stummen Tun.
Der Buchhalter-Lakai beugt sich zu ihm herunter und flüstert ihm leise Worte ins Ohr. Zahlen sind zu erahnen.
Der Verleger seufzt wieder und spricht: „Anzeigen gibt‘s nicht. Wir schicken Verlagsvertreter ins Land hinaus, um die Kunde von seinem Erstlingswerk“, er lacht leise, „zu verbreiten. An wen sollen wir Rezensionsexemplare senden?“
„An Zeitungen? Zeitschriften? Magazine? An Online-Feuilletons?“, fragt man da als naiver Autor zurück.
Der Verleger lacht wieder, diesmal lauter, der Lakai stimmt mit ein.
„Nennen Sie mir Namen. Wer wird ein gutes Wort für Sie einlegen?“
„Ähh“, antwortet man zugegebenermaßen etwas unbestimmt. Und dann, abschließend: „Weiß nicht.“
„Warum machen wir dann bei Buch mit ihm?“, fragt der Verleger, seufzt … nein, stöhnt und wendet sich an den Öffentlichkeitsmitarbeiter-Lakai: „Was können wir da machen?“
„Wir könnten ihn in eine Talkshow stecken. Oder in eine Late-Night-Show. Oder in eine Comedy-Sendung …“
„Keine Comedy!“, schreit da der Autor laut auf.
„Dann Late-Night oder Prime-Time“, verkündet der Verleger. „Ist das Buch lustig?“
„Leidlich, leidlich“, sagt der Programm-Lakai.
„Dann vielleicht doch Comedy.“ Der Verleger überlegt. Er ist ein Überleger.
„Keine Comedy!“, schreit der Autor wieder. „Bitte keine Comedy!“
„Was schreit er da?“ Der Verleger hört auf zu überlegen und schaut den Schriftsteller fragend an. Dann bestimmt er: „Wascht ihm die Haare, zieht ihm was Ordentliches an und dann ab mit ihm ins Fernsehen.“
Und wenn man dann Glück hat, kommt man tatsächlich ins Fernsehen. Dort talked man, liest was vor und hält das Buch in die Kamera. Und ein gelungener Auftritt bei „TV total!“ kann tatsächlich dazu beitragen, ein Werk in die Bestsellerlisten zu katapultieren. Es erklärt, warum es manchmal auch zweitklassige Werke in die Charts schaffen.
Wenn man jedoch keine Freunde hat, die in Redaktionen sitzen oder Bücher besprechen, die sich also für einen einsetzen und dafür sorgen, dass alle Fleischer, Soldaten, Fahrlehrer, Bademeister und Bäckereifachverkäuferinnen der Meinung sind, sie müssten es lesen, besitzen, kaufen, verschenken, bleibt es wie Blei in den Regalen liegen. Und das ist doch wirklich schaden um das so hübsch bedruckte Papier.
Merke: Im Krieg, in der Liebe und im Literaturbetrieb ist alles erlaubt.
„Von der Kunst, ein Schriftsteller zu sein“ im Oktober Verlag in Münster:
Einen weiteren Blog-Text gibt es hier.