Herr K. mag den Herbst nicht. Der Herbst hat nur doofe Feiertage, denkt er. Totensonntag zum Beispiel. Und den Tag der Wiedervereinigung, der 3. Oktober. Und den 9. November. Da kann man wahlweise den Untergang der DDR feiern, den Hitler-Putsch, die Reichspogromnacht oder die Revolution von 1918.

Komisch, dass niemand die Novemberrevolution feiert! So viele hatten wir ja noch nicht in Deutschland. Also eigentlich nur zwei: die von 1918 und die von 1989. Na ja, und die von 1848. Aber die ist ja gescheitert. Herr K. weiß das, weil Herr K. mal Geschichte studiert hat.

Also am liebsten würde er Herr K. die von 1918 feiern. Kaiser gestürzt, Krieg beendet, Republik gegründet. Gar keine so Bilanz ist das doch, denkt Herr K. Kann man doch was draus machen!

Aber niemand macht mit.

Vielleicht liegt es an der Jahreszeit, denkt Herr K. Vielleicht kann man im Herbst nicht so fröhlich sein! Auch der Reformationstag ist ja so ein Trübe-Tassen-Feiertag, denkt Herr K. Niemand weiß, wie man den feiern soll.

Am Reformationstag wird ja die Spaltung der Kirche gefeiert. Also dass sich die Protestanten von den Katholiken getrennt haben. Ist das eigentlich wirklich so toll, fragt sich Herr K.

Dann überlegt er, ob er nicht bei den katholischen Nachbarn klingeln soll, um dann schnell wegzulaufen. So eine Art Klingelstreich zu Ehren des Kirchenschismas. (Herr K. mag das Wort „Kirchenschisma“ und ist auch ein bisschen stolz, das er es kennt. Hat sich das Studium vielleicht doch gelohnt.)

Dann fällt ihm auf, dass er gar nicht weiß, wer von seinen Nachbarn überhaupt katholisch ist. Interessiert ja heutzutage keinen mehr. Und er selbst ist ja auch nicht mehr evangelisch.

Dann fällt ihm ein, dass heute ja nicht nur Reformationstag ist, sondern auch Halloween.

Dann geht er zu seinem Kleiderschrank und holt ein T-Shirt mit einem Totenkopf heraus. Er zieht es an und geht dann zu einem Heavy Metal-Konzert. Der Herbst hat doch seine guten Seiten, denkt Herr K. fröhlich und macht das Evil-Zeichen.

Der kleine Herr K. und die Wahlen

Axel Klingenberg: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!