Eine andere Welt ist möglich, war einer der Slogans der sogenannten Antiglobalisierungsbewegung um die Jahrtausendwende. „Antiglobalisierungsbewegung“ – ich habe diesen Namen ehrlich gesagt nie verstanden. Ich bin gar nicht gegen Globalisierung. Ganz im Gegenteil: Ich bin für Globalisierung! Ich esse gerne indisch und italienisch (und deutsch) und höre am liebsten karibische und angloamerikanische (und deutsche) Musik, um mal ein paar multikulturelle Klischees aufzuwärmen.
Ich bin ein Weltbürger mit deutschen Wurzeln.
Ich bin hier geboren und aufgewachsen und lebe immer noch hier und oft genug mache ich sogar Urlaub in diesem Land. „Ich bin stolz darauf, ein Deutscher zu sein“, würde mir jedoch nie über die Lippen kommen. Überhaupt wurde mir immer mangelnder Patriotismus vorgeworfen, besonders während der Fußballweltmeisterschaften der Herren.
„Vaterlandsverrat ist mir stets Verpflichtung und Vergnügen zugleich“, habe ich dann immer geantwortet.
Allerdings…
Neulich haben wir im Freundeskreis so ein Spiel gespielt, bei dem man Fragen beantworten muss. Und alle mussten dann raten, was die anderen wohl geantwortet haben. In der einen Runde sollten wir dann das Land, in dem wir leben, auf einer Skala von 0 bis 100 bewerten.
„Nach welchen Kriterien?“, habe ich gefragt. „Nach dem wie es früher war oder wie es im Vergleich mit anderen Ländern ist oder wie es sein könnte?“ Das war jedoch nicht weiter definiert. Und dann gab ich satte 80 Punkte. Und alle anderen am Tisch gaben genau so viele Punkte oder sogar mehr.
Da wurde mir klar, dass ich verdammt gerne hier lebe. Ich bin nicht stolz auf Deutschland, nicht auf die Geschichte, nicht auf die Wirtschaft, nicht auf die Autos und auch nicht auf die Fußballer.
Aber ich lebe gerne hier.
Ich möchte nirgendwo anders leben.
Es ist mein Land.
Mit allen positiven Dingen und mit allen negativen. Und ich will es mir deshalb nicht wegnehmen lassen von irgendwelchen dahergelaufenen Nationalisten und Rassisten und Faschisten.
Es ist mein Land.
Ich lebe hier gerne und auch meine Kinder sind hier geboren und aufgewachsen.
Und ich liebe die Ostsee und die Nordsee und den Harz und den Schwarzwald und sogar und insbesondere die Sächsische Schweiz.
Es ist mein Land. Denn ich kann hier im Großen und Ganzen so leben wie ich will (na ja, so lange ich es mir leisten kann).
Und ich will es mir nicht kaputtmachen lassen von Leuten, die nichts aus der Geschichte gelernt haben. Mehr noch: die alles nochmal durchspielen wollen, was schiefgelaufen ist, was zu Tod und Verderben und Leid und Krieg geführt hat. Die zurückwollen auf ihre heimatliche Scholle und zu einem Kleinstaat, der in der globalisierten Welt keine Rolle mehr spielen kann, weil er so winzig ist, das er mit dem bloßen Auge kaum zu finden ist auf der Landkarte.
Ich will kein provinzielles und rückständiges und langweiliges Deutschland, sondern ein weltoffenes und fortschrittliches und freies. Ich will ein Deutschland, das nicht so tut, als sei es ein besseres Land als andere Länder. Ich will ein Deutschland, das selbstbewusst genug ist, um bescheiden zu sein – und genau damit beweist, dass es ein gutes Land ist.
Und ich lasse mir dieses Land nicht wegnehmen. Nicht von Nazis und nicht von „Rechtspopulisten“ (also Nazis in schlechtsitzenden Anzügen).
Und wenn alles gut läuft, werde ich vielleicht sogar bei der nächsten Fußball-EM für Deutschland jubeln (wenn die Mannschaft ausnahmsweise mal wieder gewinnt) und nicht für Island oder Irland oder die Niederlande.
Versprochen!